Ein Lernort für den Frieden
Text von Tilman Wörtz
Fotos von Frieder Blickle
Im jüdisch-arabischen Dorf Neve Shalom / Wahat al Salam versuchen die Bewohner das scheinbar Unmögliche: friedliches Zusammenleben und Teilung der Macht. Und sie gründeten die „School of Peace“, wo junge Juden und Palästinenser lernen, wie sie kritisch und fair miteinander reden können.
Der Raum misst zwölf mal fünfzehn Meter, darin zwei Dutzend Stühle im Kreis aufgestellt. Vorhänge schirmen die schmalen Fenster gegen die gleißende Sonne Israels ab, damit die jungen Palästinenser und Juden drei Tage lang ungeblendet reden, sich anschreien und anschweigen können.
Durch eine Spiegel verglaste Rückwand werden Supervisoren beobachten, wie sich das Verhältnis zwischen ihnen verändert. Begegnungen und Gespräche einzelner Jugendlicher außerhalb des Raumes werden sie lediglich als Geräuschkulisse bewerten, die keine besondere Bedeutung für das Ergebnis des Treffens hat. Nur die Dynamik zwischen beiden Gruppen im Raum zählt.
Die Methode der „School of Peace“ in Neve Shalom gilt weltweit als Maßstab in Sachen Konfliktbearbeitung. Verfeindete Gruppen aus Zypern, dem Kosovo und Nord-Irland haben die Friedensschule schon besucht, auch Norditaliener und Sizilianer, Europäer und Amerikaner. Friedensexperten von Neve Shalom lehren an den Universitäten von Tel Aviv, Haifa und Jerusalem und vermitteln auf Konferenzen weltweit, was ihre Methode so neu und viel versprechend macht. Das Israel Institute of Applied Social Research stellte jedenfalls in einer vergleichenden Studie fest, dass die School of Peace das effektivste Modell für jüdisch-arabische Begegnungen anbietet. 35.000 Teilnehmer haben die School of Peace schon durchlaufen, 400 bekamen eine Ausbildung als Moderator und arbeiten heute in Friedensprojekten in Israel und dem Ausland.
„Verständnis und Mitgefühl allein können Konflikte zwischen Gruppen nicht lösen.“
Die Methode zu vermitteln ist schwierig, denn sie widerspricht einer alltäglichen Erfahrung: „Unser Gefühl sagt uns, Menschen müssten sich nur richtig kennenlernen, um Hass und Vorurteile abzubauen“, erklärt Nava Sonnenschein, Gründerin der School of Peace, „doch Verständnis und Mitgefühl allein können Konflikte zwischen Gruppen nicht lösen.“ Die Pädagogin diente selbst als Soldatin während des Yom Kippur-Kriegs und gründete fünf Jahre später die School of Peace, weil zu viele ihrer Freunde sinnlos ihr Leben lassen mussten.
Streiten sollen sie sich auf der School of Peace, ausdrücklich über schmerzhafte Themen. Die Dynamik des Konflikts soll spürbar werden, niemand braucht einen anderen Teilnehmer nach dem Kurs „eigentlich ganz nett“ finden. Oft hat sich die emotionale Kluft zwischen den Gruppen am Ende sogar vertieft. „Wir erreichen trotzdem unser Ziel“, behauptet Nava Sonnenschein, „die Teilnehmer machen sich bewusst, welche Rolle sie im Konflikt spielen. Danach können sie sich nicht länger nur als Opfer sehen.“
Der erste Tag, der „Nett-sein-wollen-Tag“. Zehn Mädchen und sechs Jungs, alle aus einer elften Klasse, sitzen in bunter Reihe nebeneinander. Nur wenige von ihnen lassen sich auf Anhieb an Kleidung und Auftreten als Juden oder Palästinenser erkennen: der schweigsame Daniel signalisiert seine Herkunft mit einem Davidstern, den er sich auf den Handrücken gemalt hat, Dror, seine Nachbarin, präsentiert sich in verwaschenen Jeans, mit gepiercter Nase und Nabel, stammt also offensichtlich nicht aus einem islamischen Haushalt, Taher und die schöne Rabab dagegen haben sich ganz in Weiß herausgeputzt und mit viel Gel die Locken stabilisiert, unter palästinensischen Jugendlichen ein Outfit für besondere Tage.
Die Juden gehen auf die Jerusalemer Renais-Casal-Schule, die schon einige Opfer von Selbstmordattentaten zu beklagen hat. Die Palästinenser kommen aus Deir Hanah, einem Dorf im Norden Israels. Sie gehören zur palästinensischen Minderheit mit israelischem Pass, die zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmacht. Obwohl die Jugendlichen alle im gleichen Staat leben, haben sie noch nie in ihrem Leben mit jemandem von der „anderen Seite“ ein Gespräch geführt.
„Redet offen, aber beleidigt niemanden!“
Damit sich das nun ändert, leiten eine arabische und eine jüdische Moderatorin das Treffen. „Redet offen, aber beleidigt niemanden“, erklären sie die Verhaltensregeln, zuerst auf arabisch, dann auf hebräisch. Den palästinensischen Israelis soll – anders als im wirklichen Leben – gleicher Status wie den jüdischen Israelis eingeräumt werden. Nur so wird die erwünschte Dynamik eintreten können.
Alle lächeln nervös und auch erleichtert, während sie über Hobbies und Schule reden, feststellen, dass in der Palästinenserfraktion irgendwie alle an Gott glauben, bei den Juden dagegen Atheisten neben Strenggläubigen sitzen, dass jüdische Eltern sogar Geschlechtspartner ihrer Kinder über Nacht zu Hause dulden, während selbst den palästinensischen Jungs vom Vater diktiert wird, wann sie zu Haus sein müssen – allein.
Nach dem freundlichen Geplänkel testen die Moderatorinnen die Zimmertemperatur: „Wie wollen wir unsere Gruppe nennen?“, fragen sie in die Runde. „Freunde Israels“, schlägt Anran vor. Anran: 17 Jahre, wohnt in Bisgat Zehev, einer jüdischen Siedlung auf besetztem Gebiet, will Soldat werden, um sein Volk vor den „Killer-Arabs“ zu beschützen, ist zu dem Treffen nur gekommen, „um mal Ärger abzulassen.“
Die Palästinenser lehnen seinen Vorschlag ab: „Wir identifizieren uns nicht mit dem Namen Israel. Lasst uns ‚Freunde des Friedens‘ nennen.“ Dror findet den Vorschlag gut. Dror: 16 Jahre, bezeichnet sich als „politisch links“, mag Rockmusik, findet, dass die Palästinenser die selben Rechte bekommen sollten „wie wir Juden“.
„Seid ihr etwa gegen diesen Staat? Wollt ihr, dass wir verschwinden?“
„Warum könnt ihr Euch mit dem Namen Israel nicht identifizieren?“, insistiert Anran. „Seid ihr etwa gegen diesen Staat? Wollt ihr, dass wir verschwinden?“ Er wirft Taher einen Kugelschreiber zu. „Stell Dir vor, das wäre ein Zauberstab, was würdest Du Dir wünschen?“ Taher wünscht sich nichts, zumindest nicht laut. „Na los, sag‘ schon!“ Auch seine Klassenkameraden drängen die Palästinenser, ihr Verhältnis zu Israel und den Juden zu klären.
Die jüdische Moderatorin Elenor Amit unterbricht. „Erstens stelle ich fest, dass jetzt auch die Palästinenser nur noch hebräisch sprechen, und zweitens, dass die Juden viel mehr reden und von den Palästinensern Antworten fordern.“ Elenor Amit: 27 Jahre, Psychologiestudentin, stammt aus einem rechts-konservativen Elternhaus, wurde als Schülerin von der Teilnahme an einem Treffen in Neve Shalom geprägt und engagiert sich seither in der Friedensbewegung. Hinter der verspiegelten Wand schmunzelt Nava Sonnenschein: „Das hat sie gut beobachtet. An diesen Details lässt sich die Machtstruktur zwischen beiden Gruppen feststellen: Die Juden sind in diesem Raum wie auch im Staat die stärkere Gruppe.“ Ursprünglich wandte Nava Sonnenschein die gängige Methode der Konfliktbearbeitung aus den USA an: Die Teilnehmer äußerten ihre Gefühle und versuchten, Gemeinsamkeiten zu entdecken. Es galt der Grundsatz: Über Gefühle kann man nicht diskutieren, man kann sie nur nachempfinden. Sagte ein Jude, er habe Angst vor Arabern, forderte Nava Sonnenschein die Araber auf, sich die Angst des Juden vorzustellen und visa versa. Die Gespräche drehten sich um die Wurzeln der Angst, den Konflikt, klammerten sie aus.
„Wer einen Vertreter des Feindlagers als sympathisch erlebt, erklärt ihn einfach zur Ausnahme.“
„Die Juden empfanden die Gespräche als gekünstelt, die Palästinenser kehrten frustriert nach Hause zurück, weil sich für sie die Realität der Unterdrückung nach dem Treffen nicht verändert hatte“, erinnert sich Nava Sonnenschein. Selbst wenn ein Treffen harmonisch verlief, blieb der Effekt begrenzt: „Unser Hirn spielt uns einen Trick, Subtypisierung genannt. Wer einen Vertreter des Feindlagers als sympathisch erlebt, erklärt ihn einfach zur Ausnahme, und schon braucht er seine Wahrnehmung des Konflikts nicht zu revidieren.“ Deshalb suchte Nava Sonnenschein einen Weg, der die Identität jedes Einzelnen als Teil einer Gruppe hervorhob.
Der zweite Tag. Die Moderatorinnen legen Fotos in die Mitte des Sitzkreises. Jeder soll eines davon interpretieren. Anran wählt ein Foto, das einen Soldaten zeigt. „Die Armee sorgt für unsere Sicherheit.“ Dror tippt auf ein Foto, auf dem zwei Badende zu sehen sind. „Ich sehe darin einen Juden und einen Palästinenser, die gemeinsam Spaß haben.“ Rabab entscheidet sich für eine Frau, die in Lumpen gekleidet ist und ihre Habseligkeiten in zwei Plastiktüten mit sich trägt. „Wir sind ein verarmtes Volk. Uns wurde unser Land gestohlen, wir haben nicht die gleichen Chancen wie die Israelis. Das muss sich ändern, wenn wir Frieden wollen.“ Rabab: 16 Jahre alt, schlank und hochgewachsen, will Psychologie studieren, ist gekommen, „um zu wissen, wie die Juden wirklich sind“.
Die Moderatorinnen greifen nicht in die Diskussion ein, als Rabab „wir“ sagt und sich zur Sprecherin ihrer Gruppe macht. Denn dadurch kommt die Gruppendynamik des Gesprächs in Gang. „Woher weißt Du, dass die Frau auf dem Foto eine Araberin ist? Sie könnte doch auch Jüdin sein“, blafft Anran sie an, „ihr tut euch immer leid. Redet nicht immer von der Vergangenheit, schaut nach vorn!“ Rabab keift zurück: „Ihr habt unser Land genommen und Hunderttausende zu Flüchtlingen gemacht.“ Die anderen Palästinenser pflichten ihr bei, Dror ist verstummt, alle anderen reden durcheinander, werden lauter und gehen dazu über, was Nava Sonnenschein die „Schlacht um die moralische Überlegenheit der Waffen nennt“. Jetzt geht es nur noch um die Frage, wer gegen wen den barbarischeren Krieg führt: „Solange Palästinenser Zivilisten in die Luft sprengen, wird es nie Frieden geben.“ Antwort: „Die israelische Armee tötet jeden Tag Zivilisten.“ Verteidigung: „Das sind Unfälle, keine Absicht.“ Dann eine Variation des Themas: Wer hat angefangen? Wer hat vorher mehr gelitten? Die Juden führen Holocaust und Pogrome an, die Palästinenser Vertreibung und Besatzung. Beide Seiten glauben sich in der Defensive, rechtfertigen ihre Gewalt als Gegengewalt.
Nava Sonnenscheins Buch erklärt, wie Gruppenkonflikte entstehen
Die verspiegelte Wand scheint die Spannungen im Raum vor Nava Sonnenschein fernzuhalten. Sie sitzt entspannt nach hinten gelehnt in ihrem Stuhl und spielt mit ihrer Brille: „Die Palästinenser fühlen sich gestärkt hinter Rabab vereint, eine wichtige Erfahrung für sie. Ihre Forderungen haben die jüdische Gruppe verunsichert, vor allem Dror. Anran ist der Land-Diskussion ausgewichen und hat sich in die Schlacht um die moralische Überlegenheit der Waffen geflüchtet.“
Ein Buch, das Nava Sonnenschein zusammen mit anderen Wissenschaftlern geschrieben hat, erklärt mit zwei Theorien, wie Gruppenkonflikte entstehen: Die erste nennt Konkurrenz um Ressourcen als Ursache, im Palästina-Konflikt also die Ressource Land; die zweite Theorie setzt voraus, dass es zur Identität jedes Menschen gehört, Teil einer Gruppe zu sein und sein Selbstwertgefühl mittels Vorurteilen und Hass auf andere zu steigern.
Die Aussicht auf Erfolg bei der Konfliktlösung ist nach der zweiten Theorie erheblich düsterer, denn der Konflikt liegt schon in der Natur des Menschen und nicht erst im Verteilungskampf. Nava Sonnenschein sieht trotzdem eine Chance: „Wir können versuchen, das Bewusstsein jedes Einzelnen für diesen psychologischen Mechanismus zu schärfen und dadurch das Konfliktpotenzial zu mindern.“
Rababs Vorwurf, die Israelis hätten den Palästinensern Land weggenommen, zielte auf den Verteilungskampf. Mit der Diskussion, wer ziviler tötet, versuchten sich beide Gruppen moralisch abzuwerten und die eigene Gewalt zu legitimieren. Entsprechend heftig schaukeln sich nun die Emotionen auf und schwillt der Lärmpegel, bis die Moderatorinnen einen Schnitt machen und sich beide Gruppen für ein separates Gespräch zurückziehen.
Verzweiflung macht sich in der jüdischen Gruppe breit. „Die haben Hass in den Augen“, zischt Anran, „wir dagegen Angst.“ Selbst die „Linke“ Dror ist enttäuscht: „Ich versuch‘ ja, sie zu verstehen. Aber warum verurteilen die nicht die Selbstmordattentate? Da kann man doch nur radikal werden!“ Anet Bayer, ein Mädchen, dessen Großeltern dem Holocaust entkamen, sagt: „Wir können nur überleben, wenn wir stark sind.“ Die Moderatorin hakt nach: „Ihr seht Euch in der schwächeren Position. Haben nicht auch die Palästinenser Grund, sich als Opfer zu fühlen?“ Das sieht die Gruppe völlig anders. Stark fühlten die sich, stellten immer zu Forderungen: nach Land, nach Rückkehr der Flüchtlinge, nach dem Ende der Besatzung … „Wenn die an den Checkpoints gedemütigt werden, ist mir das doch egal!“, platzt Anet Bayer heraus.
„Ich fürchte jedes Mal, dass ich die Gruppe nicht über diesen Punkt hinauskriege.“
„Sackgasse“ nennt sich dieses Stadium der Gespräche, an dem die Moderatorin Elenor Amit kurz unterbricht. Noch bevor sie das Zimmer fürs Personal der School of Peace erreicht, entlädt sich ihre Anspannung in Tränen. „Ich fürchte jedes Mal, dass ich die Gruppe nicht über diesen Punkt hinauskriege und sie radikalisiert nach Hause fährt. Dass sie nur Ohnmacht und Wut empfindet, ohne nach den Ursachen zu fragen.“
Zwei Dekaden binationaler Treffen haben Nava Sonnenschein das Schmunzeln eines Buddhas geschenkt. Sie beruhigt Elenor Amit: „Das arbeitet in denen, wart’s ab.“ Am nächsten Tag und dann wieder drei Monate später werden die Schüler ihre Eindrücke aufschreiben. „Der Vergleich zeigt regelmäßig, dass sie die Begegnung aus der längeren Distanz lohnender beurteilen als nach einem Tag.“ Selbst der Aussage Drors kann Nava Sonnenschein Positives abgewinnen: „Wenn sie sagt, das Treffen habe sie radikalisiert, gibt sie endlich zu, dass ihre tatsächliche Einstellung zu dem Konflikt mit ihrem Lippenbekenntnis kollidiert, eine ‚Linke‘ zu sein. Das wird ihr zu schaffen machen.“
Als sich alle nach der Pause wieder setzen, stellt der stille Daniel fest, dass er der einzige Jude auf der „palästinensischen“ Seite des Kreises ist, steht auf und setzt sich auf einen freien Platz gegenüber. Beide Gruppen sollen nun die Verhandlung um eine neue Verfassung simulieren: Wie sollen die nationalen Symbole aussehen? Wie die Rechte der palästinensischen Minderheit?
Zwanzig jüdische und zwanzig palästinensische Familien haben vor dreißig Jahren eine Antwort auf diese Fragen gefunden. Sie gründeten das Dorf Neve Shalom, die „Oase des Friedens“, mit arabischem Namen: Wahat al Salam. Es liegt auf halbem Weg zwischen Tel Aviv und Israel und beweist seither, dass ein gleich berechtigtes Zusammenleben von Juden und Palästinensern möglich ist. Die Bekanntmachungen am Rathaus hängen zweisprachig aus, Juden und Palästinenser stellen jedes Jahr abwechselnd den Bürgermeister, die Grundschule von Neve Schalom ist die einzige in Israel mit gemischten Klassen.
„In Gedenken an ein Kind des Friedens, das vom Krieg getötet wurde“
Die ethnischen Identitäten sollen sich nicht in Wohlgefallen auflösen, sondern werden von beiden Seiten betont. Nur deshalb, so die Philosophie von Neve Shalom / Wahaht al Salam, fühlt sich keine Seite unterdrückt und hält an dem Experiment fest. Auch vor Streit schrickt die Gemeinde nicht zurück. Nachdem 1997 Tom Kitain aus Neve Shalom / Wahat al Salam als Pilot der israelischen Armee auf dem Weg in den Libanon tödlich in seinem Hubschrauber verunglückte, wollten die Eltern ein Denkmal errichten. „Sein Auftrag lautete, im Libanon unsere Landsleute zu ermorden“, empörten sich die Palästinenser. Sie einigten sich auf eine diskrete Gedenktafel am Zaun des Basketballplatzes, auf dem Tom Kitain oft spielte, auch mit Arabern: „In Gedenken an ein Kind des Friedens, das vom Krieg getötet wurde.“
Überall auf der Welt unterstützen „Freundeskreise“ Neve Shalom/ Wahat al Salam, doch in Israel überwiegen die Feinde. Wie zum Trotz plant die Regierung Sharon eine Siedlung für Armee-Reservisten unterhalb des Hügels. Den Bau eines von der Vorgänger-Regierung versprochenen Schulgebäudes hat sie dagegen abgeblockt. Viele Palästinenser-Gruppen bekommen keine Genehmigung für die Reise nach Neve Shalom/ Wahat al Salam. Die Treffen müssen manchmal in die Türkei, nach Deutschland oder Zypern verlegt werden. Es sei denn, die Gruppe riskiert den illegalen Übertritt, umwandert die Checkpoints und lässt sich anschließend in Taxis bis dicht vor den nächsten Kontrollposten fahren, um wieder einen Kilometer langen Fußmarsch zurückzulegen. Wer dabei erwischt wird, droht Gefängnis, manchmal auch Misshandlung. Wer es schafft, kann sich für drei kurze Tagen auf dem neutralen Grund von Neve Shalom/ Wahat al Salam sicher fühlen.
„Wo sollen die denn Platz haben? In meiner Tasche vielleicht?“
In der School of Peace haben die Palästinenser vereinbart, die Friedensverhandlungen auf arabisch zu führen und eine Übersetzung zu erzwingen. Erster Tagesordnungspunkt: Was passiert mit den 3,5 Millionen palästinensischen Flüchtlingen, die außerhalb der Grenzen Israels leben? „Ihr könnt doch nicht im Ernst fordern, dass die zurückdürfen!“, ereifert sich selbst die „linke“ Dror. „Wo sollen die denn Platz haben? In meiner Tasche vielleicht?“ Rabab führt das Recht jedes Juden in der Welt an, nach Israel einwandern zu dürfen, selbst wenn er dort noch nie gelebt hat. „Das steht schon in der Bibel“, wendet Mariana ein, Tochter russischer Einwanderer, die eigentlich gar nicht religiös ist. Anran ist aufgestanden läuft im Kreis. Die Moderatorin fordert ihn auf, sich zu setzen. „Mich gehen diese Verhandlungen nichts an“, wehrt er ab.
Immer wieder beraten beide Gruppen separat, kehren an den Verhandlungstisch zurück, bis schließlich auf einer simulierten Pressekonferenz die verblüffend liberale Verfassung des neuen Israels verkündet werden kann: Landessprache ist Englisch, neben Arabisch und Hebräisch, die Flüchtlinge dürfen zurück, allerdings nur in Wüstengebiete, Palästinensern stehen in Zukunft alle Berufe offen, außer der Abteilung „Terrorprävention“ des Geheimdienstes. Beim Landesnamen konnte die Runde allerdings keine Einigung erzielen.
Zum Abschied liegen eine Rose und ein Dornenzweig in der Mitte des Kreises bereit, die einzeln oder gemeinsam einem Gegenüber überreicht werden sollen. Dror gibt Rose und Dornenzweig an Rabab: „Die Rose, weil du mit uns diskutiert hast, den Dornenzweig, weil Du den Terror nicht verurteilst.“ Rabab reicht sie Anran weiter: „Weil in Dir ein guter Kern steckt, Du aber nicht zuhören kannst.“ Anran schmeißt den Dornenzweig weg. Er gibt Taher nur die Rose: „Weil Du den Mund gehalten hast.“